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In vielen Konfliktgebieten unserer Welt werden föderale Vorschläge zur Konfliktlösung propagiert, diskutiert, realisiert oder verworfen. Das gilt für Bosnien-Herzegowina, Irak, Indonesien, Nepal, Philippinen, Sri Lanka, Sudan, Zypern usw. Föderalismus erscheint oft als die demokratische Alternative zum autoritären Einheitsstaat oder Sezession. Und in der Tat es fehlt es ja nicht an Vorbildern wie der Schweiz, Kanada, Indien, Südafrika, wo es – manchmal allerdings auch erst nach kriegerischen Auseinandersetzungen – dank der Einrichtung eines föderalen System gelungen ist, in Vielvölkerstaaten friedlich und erfolgreich zusammenzuleben. Aber es gibt bekanntlich auch gegenteilige Beispiele wie Yugoslawien und  die Tschechoslowakei, wo der Föderalismus Gewalt, Sezession und Aufspaltung nicht verhindern konnte. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Föderalismus einen Beitrag zum Frieden leisten kann, bedarf daher einer genaueren Analyse.

In vielen Konfliktgebieten unserer Welt werden föderale Vorschläge zur Konfliktlösung propagiert, diskutiert, realisiert oder verworfen. Das gilt für Bosnien-Herzegowina, Irak, Indonesien, Nepal, Philippinen, Sri Lanka, Sudan, Zypern usw. Föderalismus erscheint oft als die demokratische Alternative zum autoritären Einheitsstaat oder Sezession. Und in der Tat es fehlt es ja nicht an Vorbildern wie der Schweiz, Kanada, Indien, Südafrika, wo es – manchmal allerdings auch erst nach kriegerischen Auseinandersetzungen – dank der Einrichtung eines föderalen System gelungen ist, in Vielvölkerstaaten friedlich und erfolgreich zusammenzuleben. Aber es gibt bekanntlich auch gegenteilige Beispiele wie Yugoslawien und  die Tschechoslowakei, wo der Föderalismus Gewalt, Sezession und Aufspaltung nicht verhindern konnte. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Föderalismus einen Beitrag zum Frieden leisten kann, bedarf daher einer genaueren Analyse.

Föderalismus in der heutigen Welt

Föderalismus als politische Idee meint ein System, das Vielfalt und Einheit harmonisch miteinander verbindet. Der föderale Staat zeichnet sich dadurch aus, dass er die staatlichen Aufgaben auf  den Zentralstaat (in der Schweiz der Bund) und die Gliedstaaten (in der Schweiz die Kantone) aufteilt, wobei jeder Teil  eigene, souveräne Zuständigkeiten hat und seinen Bürgern direkt verantwortlich ist. Dabei sind die Mitgliedstaaten in ihrem Zuständigkeitsbereich autonom, haben eigene legislative, exekutive und richterliche Behörden und gewisse Mitwirkungsrechte bei der Willensbildung des Zentralstaates. Die Kombination von „self-rule“ und „shared-rule“ (von Selbstregulierung und gemeinsamer Ordnung) macht die Eigenart des Bundesstaates aus. Der föderale Staat bietet damit unterschiedlichen Volksgruppen die Chance, ihre politische, kulturelle oder religiöse Vielfalt in der Einheit zu leben. Diese Kombination von staatlicher Einheit und gliedstaatlicher Vielfalt scheint gerade heute in der Zeit der Globalisierung einem weit verbreiteten Wunsch der Menschen zu  entsprechen. Denn viele möchten heute  globale Konsumenten und gleichzeitig lokale, selbstbestimmte Bürger sein. Föderalismus ermöglicht den Minderheiten in multikulturellen Staaten, ihre eigene kulturelle Identität zu leben, ohne auf die Grössenvorteile des Zentralstaates (Binnenmarkt, Verteidigung , Internationale Beziehungen usw.) verzichten zu müssen.

Von den 192 Mitgliedstaaten der UNO sind bis heute allerdings nur etwa  25 Bundesstaaten in dem Sinne, dass sie in ihrer Verfassung eine Aufgabenteilung zwischen dem Zentralstaat und den Gliedstaaten  vorsehen, beide Rechtsordnungen die Bürger direkt berechtigen und verpflichten und die Mitgliedstaaten ein Mitwirkungsrecht bei der Willensbildung des Zentralstaates haben. Heute leben aber rund 40 % der Menschen in ausdrücklichen oder de facto Bundessstaaten.  Der Grund liegt darin, dass gerade bevölkerungsreichste Staaten wie Indien, USA, Brasilien, Pakistan, Russland, Nigeria, Mexico, Bundesrepublik Deutschland Bundesstaaten im obigen Sinne sind. Die Bedeutung des Föderalismus in der heutigen Welt kann daher nicht überschätzt werden.

Dabei hat sich der Föderalismus gleichsam in drei grossen Zyklen verbreitet. Die ersten Bundesstaaten wurden Ende des 18. und im 19. Jahrhunderts gegründet, USA (1789), Schweiz (1848), Kanada (1867), Australien (1901). Dazu kommen die lateinamerikanischen Bundesstaaten: Venezuela (1811), Mexico (1824), Argentinien (1853), Brasilien (1891), über deren föderalistische Substanz sich allerdings diskutieren liesse.

Eine zweite Welle von Gründungen föderaler Staaten erfolgte nach dem 2. Weltkrieg mit der Beendigung der Kolonien in Indien (1950), Pakistan (1956), Nigeria (1954) und mit der Ueberwindung des Nationalismus in Europa mit Yugoslawien (1946), (wieder) die Bundesrepublik Deutschland (1949) und dem Beginn der Europäischen Integration:Montanunion (1951), EWG (1957).

In jüngster Zeit haben bisher zentralistisch geführte Einheitsstaaten wie Belgien (1993), Spanien (1978, besonders 2006) und Südafrika (1996)explizit oder de facto föderalistische Organisationsformen übernommen. In Südamerika ist in Brsilien (1988), Argentinien (1994), Mexiko (2000) der Föderalismus reaktiviert worden. In vielen Konfliktgebieten der Welt wie in Bosnien Herzegowina (1995), Irak(2005),  Nepal (2007) entstanden neue Föderationen. Im Sudan und in Sri Lanka erscheint eine föderalistische Ordnung als hoffnungsvollstes Mittel zur Lösung des ethnischen Konflikts unter Bewahrung der staatlichen Einheit. Und selbst in klassischen Einheitsstaaten wie Frankreich und Grossbritannien ist in letzter Zeit viel von „Régionalisation“ und „Devolution“ die Rede, ohne zu eigentlichen föderalistischen Organisationsformen überzugehen. Mit dem Verfassungsvertrag von Lissabon   sind die föderalen Elemente der EU (Mehrheitsentscheidungen, Ausdehnung der Parlamentskompetenzen, Vorrang des EU-Rechts)  verstärkt worden. Die EU bleibt freilich eine hybride internationale Organisation, die föderale und konföderale Elemente (Ministerrat der Mitgliedländer, Einstimmigkeit für Vertragsänderungen)  auf einmalige, neue Weise miteinander verbindet.

Renaissance des Föderalismus

In lang etablierten Bundesstaaten wie der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz sind in jüngster Zeit zudem wichtige Reformen des Föderalismus bereits in Kraft gesetzt worden. In Deutschland ist die sogenannte Föderalismusreform I, die grösste Reform des Grundgesetzes seit 1949, seit dem 1. September 2006 in Kraft. Ziel waren mehr Transparenz in den Beziehungen zwischen Bund und Ländern, Abbau gegenseitiger Blockaden und eine vermehrte Kompetenztrennung zwischen beiden. In der Schweiz trat am 1.1. 2000 eine neue Verfassung in Kraft, welche den kooperativen Föderalismus zwischen Bund und Kantonen verstärkt und den Kantonen vorab in der Aussenpolitik vermehrte Mitspracherechte gebracht hat. Im Jahre 2004 haben Volk und Kantone zudem  der „Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen“  (NFA) zugestimmt, der seit dem Jahre 2008 ebenfalls in Kraft ist. In den USA hat der Oberste Gerichtshof durch mehrere Entscheidungen zur Sicherung der „dignity of the states“ beigetragen. In Kanada und Oesterreich sind grössere Reformvorhaben auf Verfassungsstufe vorerst gescheitert, aber man versucht nun, auf pragmatische Weise die Gliedstaaten auf Gesetzesstufe zu stärken.

Angesichts dieser Entwicklungen hat man sicher zu Recht von einer eigentlichen Renaissance des Föderalismus in unserer Zeit gesprochen. Zwar fehlte und fehlt es bis heute nicht an kritischen Stimmen. Amerikanische Wissenschafter kritisierten, „ federalism“ sei ein „chameleon-like concept“, das „all things to all men“ bedeute und daher leicht für irgendwelche politische Zwecke gebraucht und missbraucht werden könne.   Gelegentlich wird dem Föderalismus auch vorgeworfen, er sei schwerfällig, langsam in der Entscheidfindung und kompliziert, kurz wenig effizient. Die Beweisführung dürfte aber schwierig sein, wenn man bedenkt, dass in fast allen Ranglisten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Bundesstaaten wie die USA, Kanada, Deutschland und die Schweiz Spitzenränge einnehmen.

Die neue Attraktivität des Föderalismus in unserer Welt hat  eine Vielzahl von Gründen. Einmal hängt sie mit offensichtlichen Fehlleistungen stark zentralistisch geführter Staaten zusammen. Die Stichworte sind: Bürokratisierung, Machtballungen in Regierung und Verwaltung, Machtmissbrauch, Bürgerferne der Politik, mangelnde Flexibilität und Anpassung an unterschiedliche Verhältnisse innerhalb eines Staates usw. Demgegenüber werden dem Föderalismus gut geschrieben, bessere Machtkontrolle durch vertikale Gewaltenteilung, Allokation der öffentlichen Dienste nach den Präferenzenzen der Bürger, Beachtung des finanzpolitischen Aequivalenzprinzips und damit sparsamerer Umgang mit Steuergeldern,  Leben der verschiedenen regionalen Identitäten in der Einheit des Bundesstaates und nicht zuletzt mehr und bessere Bürgerpartizipation, also mehr Demokratie. Föderalismus ist daher auch in bevölkerungsmässig relativ homogenen Staaten wie der Bundesrepublik Deutschland, Oesterreich und den USA erfolgreich. Was uns heute aber vor allem interessiert, ist die Frage, warum und inwiefern Föderalismus bei ethnischen Konflikten in multikulturellen Staaten einen Beitrag zum Frieden leisten kann.

Zum Friedensbegriff

Dabei ist Frieden selber kein zum voraus feststehender Begriff. Der Friede wird von Friedensforschern bekanntlich sehr unterschiedlich definiert. Vom überkommenen Friedensbegriff, wonach Friede gleich Abwesenheit von Gewalt und Krieg ist, bis zu Definitionen, wonach Friede mit vollkommener sozialer Gerechtigkeit und der Ueberwindung der sogenannten strukturellen Gewalt gleichzusetzen sei (so der bekannte norwegische Friedensforscher Johan Galtung) ist ein weites Feld. Der Einfachheit halber verstehen wir unter Frieden in erster Linie Gewaltlosigkeit wohl wissend, dass auch eine föderalistische Ordnung den Frieden in einem Staat letztlich langfristig nur zu sichern vermag, wenn diese von den Bürgern als eine gerechte Ordnung empfunden wird.

Zum Friedensbeitrag des Föderalismus

Man kann die Frage nach dem Beitrag des Föderalismus zum Frieden theoretisch oder empirisch angehen.

Theoretische Ueberlegungen

Theoretisch liegt die Möglichkeit der Friedensstiftung des Föderalismus in seinem eigentlichen Wesen, namlich  in der Kombination von Selbstbestimmung und Mitbestimmung, oder wie die Angloamerikaner treffend sagen von „ self-rule“ und „shared-rule“. Das erlaubt föderalistischen Staaten,  dass unterschiedliche Volksgruppen, oft unterschiedliche Ethnien ihre Kultur (Sprache, Erziehung, Religion) selber regeln können und diese Vielfalt trotzdem in der Einheit des Gesamtstaates leben. Während es in einem Einheitsstaat im Grunde genommen keinen Platz für verschiedene Kulturen gibt, sondern nur für die eine, nationale, kann der föderalistische Staat unterschiedlichen Volksgruppen berechtigen, ihre Angelegenheiten im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs selber zu ordnen.

Dabei gehört es zum Wesen des Föderalismus, dass die Gliedstaaten aus eigenem Recht handeln und ihre Souveränität verfassungsrechtlich abgesichert ist. Hierin liegt auch der entscheidende Unterschied zur blossen Dezentralisierung, die einer einseitigen Ermächtigung zur Regelung eines bestimmten Sachgebietes  gleichkommt, die auch wieder einseitig zurückgenommen werden kann. Demgegenüber sind im Bundesstaat der Zentralstaat und die Gliedstaaten in ihrem Zuständigkeitsbereich souverän. Und die Gliedstaaten sind durch verfassungsrechtliche Garantien vor Uebergriffen des Zentralstaates geschützt. Die Art dieser Verfassungsgarantien (qualifizierte Mitwirkung der Gliedstaaten bei Verfassungsänderungen, föderale Parlamentskammer, Verfassungsklagen vor Gericht usw) wechselt von Bundesstaat zu Bundesstaat. Diese verfassungsrechtlich garantierte Autonomie schafft die nötigen Voraussetzungen, dass die Gliedstaaten ihre Angelegenheiten selber ordnen und damit ihre eigene Identität behalten und pflegen, gleichzeitig aber von den Vorteilen des Gesamtstaates (Wirtschaft, Sicherheit, Aussenbeziehungen) profitieren können. Das verhindert potentielle Konflikte zwischen Volksgruppen, wie sie in einem Einheitsstaat aufgrund der demokratischen Mehrheitsregel fast unvermeidlich wären.

Hieraus folgt, dass sich Föderalismus besonders zur Bewältigung von Konflikten und friedlichen Integration von verschiedenen Volksgruppen eignet, die territorial abgegrenzt sind. Denn er ermöglicht, dass Minderheiten im Gesamtstaat Mehrheiten in einem Gliedstaat bilden und derart eine für sie passende Ordnung schaffen können. Demgegenüber ist ein personaler (im Gegensatz zu einem territorialen) Föderalismus schwieriger zu organisieren und daher auch weniger zur Friedensstiftung geeignet, weil dann Minderheiten Minderheiten bleiben und ihr Schutz meistens besser mit anderen  Instrumenten wie Gruppen- oder Individualrechten erreicht werden kann.

Theoretisch vorhersehbar ist auch, dass Bundesstaaten mit nur zwei Mitgliedstaaten, sogenannte bikommunale Föderationen, politisch wenig stabil sind. Denn wenn die eine Seite gewinnt, geht das regelmässig auf Kosten der andern. Das gilt bekanntlich auch für Duopole in der Wirtschaft, weshalb diese ebenfalls labil sind und keinen echten Wettbewerb zulassen. Die geforderte Parität bei der Besetzung der Organe führt leicht zu gegenseitigen Blockaden. Demgegenüber erlauben vielgliedrige Bundesstaaten ständig wechselnde Allianzen. Das gilt insbesondere dann, wenn je nach Streitpunkt(Sprache, Religion, Wirtschaft, Internationale Beziehungen usw.) sich immer neu zusammengesetzte Allianzen bilden können.

Wer Föderalismus bejaht, muss Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten akzeptieren. ( Das ist übrigens ein Problem des deutschen Föderalismus, weil gemäss Artikel 72 Abs. 2 GG  für alle 16 Länder die „Herstellung  gleichwertiger Lebensverhältnisse“ gefordert ist). Anderseits  dürfen die ökonomischen Disparitäten in einem Bundesstaat von Gliedstaat zu Gliedstaat nicht zu gross werden, weil sonst der innere Zusammenhalt zerbricht. Die föderale Solidarität verlangt daher finanzielle Ausgleichsmassnahmen, die eine gewisse Wohlstandsangleichung, aber nicht Gleichheit, bewirken. Das häufigst angewendete Mittel sind der vertikale und horizontale Finanzausgleich.

Ein  grosser Vorteil des Föderalismus ist seine Flexibilität, welche den Bundesstaaten ermöglicht, sich an ganz unterschiedliche Verhältnisse anzupassen und je massgeschneiderte Lösungen zu finden. Es gibt kein allgemeingültiges Modell einer Föderation. Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich in Zahl und Grösse der Gliedstaaten, in der konkreten Aufgabenteilung zwischen Zentral- und Gliedstaaten, in der symmetrischen oder asymmetrischen Stellung der Gliedstaaten,  in der Aufteilung der Finanz- und Steuerhoheit, in der Ausgestaltung der föderalen Parlamentskammer, in der Stellung der Gemeinden im Bundesstaat usw..

Empirische Feststellungen

Empirisch stellen wir vorab fest, dass viele der langlebigsten, unveränderten, demokratischen Staaten Föderationen sind. Erwähnt seien hier die USA, die Schweiz, Kanada, Australien. Auffallend ist auch, dass die genannten langlebigen Bundesstaaten regelmässig auch Spitzenplätze in den gängigen Ranglisten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Staaten einnehmen. Zwar haben diese langlebigen Bundesstaaten zum Teil auch Bürgerkriege durchgemacht, die Schweiz vor der Bundesstaatsgründung den Sonderbundskrieg (1847), die USA (1860 – 1864) den Bürgerkrieg mit den Südstaaten. Letztlich ist in beiden Staaten nicht zuletzt dank dem Föderalismus eine dauerhafte Befriedung gelungen.

Anderseits zeigen gerade die südamerikanischen Föderationen wie Argentinien, Brasilien, Mexiko, Venezuela, dass Föderalismus allein, insbesondere wenn es nur ein in der Verfassung deklarierter, aber nicht wirklich gelebter Föderalismus ist, die unveränderte Langlebigkeit nicht zu garantieren vermag.

Die Praedisposition für den Föderalismus ist von Staat zu Staat sicher unterschiedlich. Auch homogene Nationalstaaten bedienen sich, wie die Beispiele von Deutschland und Oesterreich zeigen, erfolgreich föderalistischer Organisationsformen. Für viele multikulturelle Staaten ist der Föderalismus geradezu ein Gebot erfolgreicher staatlichen Organisation. Berühmt ist die Erklärung von Napoleon Bonaparte gegenüber der Schweizer Delegation in Paris im Jahre 1802 nach dem Fehlschlag der „République Helvétique une et indivisible“ : „Plus j’ai étudié la géographie, l’histoire et les habitudes de votre pays, et plus je me suis convaincu qu’il ne devait pas être assujetti à un gouvernement et à des lois uniformes…Je n’ai jamais cru un moment que vous puissiez avoir une république une et indivisible.. If faut diversités de gouvernements â des pays si divers …” Napoleon wird auch der Satz zugeschrieben:”La Suisse est federative ou elle n’est pas.” Ein im  Staatsdienst erfahrener Inder hat mir jüngst gesagt, die Inder hätten den Föderalismus in ihren DNA.

Anderseits bestätigen die Beispiele der Tschechoslowakei (Trennung 1992), Serbien-Montenegro (Trennung 2006), Nigeria von 1954 – 1960, dass bi- und trikommunale Föderationen besonders schwierig zu führen sind und die Gefahr des Auseinanderbrechens gross ist.  Demgegenüber  zeigt  die Schweiz, dass sich in einem Bundesstaat mit 26 Gliedstaaten, der aus einer Addition von Minderheiten besteht, sich je nach Streitpunkt (Religion, Sprache, Stadt/Land, Wirtschaft) übers Kreuz ständig neue Mehrheiten bilden konnten, was die Spannungen zwischen den Gliedstaaten gemindert und irgendwie ausgeglichen hat. Kanada ist ein Beispiel dafür, dass es besser ist, wenn eine sprachliche Minderheit (Quebec)) einer Vielzahl von mehrheitssprachigen Provinzen gegenübersteht, als einem Mehrheitsblock.

Die Erfahrung zeigt somit, Föderalismus ist vor allem in multikulturellen Staaten von seinem Wesen her geeignet, wichtige und dauerhafte Beiträge zur Lösung innerstaatlicher Konflikte zu leisten. Anderseits ist Föderalismus kein Allheilmittel, um innerstaatliche Streitigkeiten zu überwinden und dauerhaft Frieden zu schaffen. Dafür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, ohne die der Föderalismus in einem Staat auf die Dauer nicht lebensfähig ist.

Notwendige Voraussetzungen für lebensfähige Bundesstaaten

Der kanadische Politologe Ronald Watts, einer der erfahrensten Föderalismusexperten und Berater vieler Regierungen, hat jüngst seine  Einsichten und Erfahrungen in vier Voraussetzungen zusammengefasst, die erfüllt sein müssen, damit der Föderalismus in einem Staat gedeihen kann:

  1. Es muss ein wirklicher Wille der Beteiligten vorliegen, sich zu föderalisieren. Denn Föderalismus verlangt den Konsens der Beteiligten. Von aussen , z.B. der internationalen Staatengemeinschaft aufgezwungene Lösungen haben wenig Erfolgschancen.
  2. Föderalismus verlangt neben Selbstbestimmung der Gliedstaaten auch gewisse gemeinsame Werte, ohne die ein Bundesstaat auf Dauer nicht bestehen kann.
  3. Damit föderale Lösungen Bestand haben, braucht es vor allem Vertrauen unter den verschiedenen, aber gleichwertigen Partnern.
  4. Nötig ist vor allem die Entwicklung einer politischen Kultur, die auf Kooperation, gegenseitiger Rücksichtnahme, Respekt vor der Verfassung, Toleranz und Bereitschaft zum Dialog und  zu Kompromissen besteht. Wo diese politische Kultur fehle, hätten sich föderale Verfassungen oft als blosse Fassade erwiesen, hinter der Autoritarismus und Zentralismus vorherrschten.

Ronald Watts schliesst mit dem schönen Satz: „The existense of a civil society with a political culture supporting federal values is therefore vital.“ (Watts, in Federal Democracies, New York, 2010, S. 339).

Das deckt sich ganz mit den Erfahrungen, welche das Forum of Federations, eine internationale Organisation mit Sitz in Ottawa in verschiedenen Entwicklungsländern gemacht hat. Es ist viel leichter, für einen Staat eine föderale Verfassung zu entwerfen, als eine föderale politische Kultur zu entwickeln. Mindestens so wichtig wie die Beratung von Regierungen und Parlamenten ist die mühsame und zeitaufwendige Förderung einer föderalen politischen Kultur in der Zivilgesellschaft.

Föderalismus ist kein Allheilmittel zur Lösung von Konflikten in multikulturellen Staaten. Denn wie wir gesehen haben, sind die Voraussetzungen für das Gelingen föderaler Lösungen anspruchsvoll.

Wie wir gesehen haben, gab es neben vielen Erfolgen auch Fehlschläge. Sezessionen und Sezessionsbestrebungen gibt es allerdings auch in Einheitsstaaten.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man daher sagen:

Der Föderalismus schafft besonders in multikulturellen Staaten günstige Voraussetzung zur Konfliktlösung zwischen verschiedenen Volksgruppen und kann damit einen wesentlichen Beitrag zum Frieden in einem Lande leisten. Die Erfahrung zeigt, dass dies in vielen Bundesstaaten gut gelungen ist.

Anderseits ist der Föderalismus kein Allheilmittel, um Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen in einem Staat zu lösen. Damit dies gelingen kann, braucht es nicht nur eine föderalistische Verfassung, Entscheidend ist, ob es in einem Land gelingt, eine föderalistische Kultur zu entwickeln.

In vielen Konfliktgebieten unserer Welt werden föderale Vorschläge zur Konfliktlösung propagiert, diskutiert, realisiert oder verworfen. Das gilt für Bosnien-Herzegowina, Irak, Indonesien, Nepal, Philippinen, Sri Lanka, Sudan, Zypern usw. Föderalismus erscheint oft als die demokratische Alternative zum autoritären Einheitsstaat oder Sezession. Und in der Tat es fehlt es ja nicht an Vorbildern wie der Schweiz, Kanada, Indien, Südafrika, wo es – manchmal allerdings auch erst nach kriegerischen Auseinandersetzungen – dank der Einrichtung eines föderalen System gelungen ist, in Vielvölkerstaaten friedlich und erfolgreich zusammenzuleben. Aber es gibt bekanntlich auch gegenteilige Beispiele wie Yugoslawien und  die Tschechoslowakei, wo der Föderalismus Gewalt, Sezession und Aufspaltung nicht verhindern konnte. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Föderalismus einen Beitrag zum Frieden leisten kann, bedarf daher einer genaueren Analyse.

 


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